Wien, am 25 Jänner, 2023
Appell: Keine Zustimmung für das Gesetz zur Einstellung der „Wiener Zeitung“ als Tageszeitung und zur demokratiepolitisch fragwürdigen Medienausbildung
Die „Wiener Zeitung“ (WZ) ist in mehrfacher Hinsicht ein österreichisches Kulturgut:
Gegründet 1703, ist sie die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt. 1857 wurde sie verstaatlicht – eine Konstruktion, welche die Monarchie überdauert hat.
Doch die Bundesregierung plant, die „Wiener Zeitung“ als Tageszeitung sowie ihre tagesaktuelle Online-Berichterstattung 2023 einzustellen. Gleichzeitig erhalten Boulevardmedien weiterhin Millionen an Steuergeld durch die staatliche Medienförderung und über Inserate von Regierung und öffentlichen Unternehmen.
Demnächst wird im Nationalrat über das Gesetz abgestimmt werden. Nach dem Gesetzesentwurf wird das Nachfolgeprodukt der WZ auf 7,5 Millionen Euro pro Jahr aus dem Bundesbudget heruntergefahren. Der neue „Media Hub“, der Schulungen für JournalistInnen, PressesprecherInnen und pr-Leute anbieten soll, soll ein Jahresbudget von sechs Millionen Euro erhalten. Bestehende und zertifizierte Aus- und Weiterbildungsstätten werden dadurch an den Rand gedrängt.
Der „Media Hub“ ist überdies eine gefährliche Konstruktion. Das Bundeskanzleramt als Eigentümervertreter könnte über den Geschäftsführer direkten Einfluss auf die Lehrinhalte ausüben.
Das wäre ein in Demokratien höchst fragwürdiges Modell. Sämtliche Experten lehnen daher den vorliegenden Gesetzesentwurf ab. Viele Kultur- und Medienschaffende, Vertreter aus Wirtschaft und Politik haben sich in einer Resolution für ein Moratorium von 18 Monaten eingesetzt. In dieser Zeit soll ein tragfähiges Konzept zur Weiterführung der „Wiener Zeitung“ als Qualitätstageszeitung ausgearbeitet werden.
Wir möchten Sie, sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrter Herr Abgeordneter, daher dringend ersuchen, dem neuen Gesetz bei der Abstimmung im Nationalrat nicht zuzustimmen und sich für eine Neufassung in Kooperation mit der Redaktion der Wiener Zeitung und ExpertInnen einzusetzen.
Wien, 25. Jänner 2023
Ao. Univ. Prof. Dr. Fritz Hausjell, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien, Präsident von „Reporter ohne Grenzen“, österr. Sektion
Otmar Lahodynsky
Journalist und Ehrenpräsident der „Association of European Journalists“ (AEJ)
Edward Gamper Steen, Journalist, Generalsekretär AEJ